Freiheitsentziehende Maßnahmen in der Pflege (FEM)

Im deutschen Grundgesetz steht festgeschrieben, dass jeder Mensch unabhängig von Alter, Geschlecht oder anderes, sein Leben selbstbestimmt, frei und autonom gestalten kann. Außerdem hat er das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.

Gründe für FEM Gründe für FEM

Leider kommt es in herausfordernden, überfordernden oder gefährlichen Situationen zwischen Pflegenden und pflegebedürftigen Menschen zu Freiheitsentziehenden Maßnahmen (FEM). Darunter fallen zum Beispiel Fixierungen am Bett oder Stuhl mit Gurten, Gittern oder fester Tischplatte, das Verschließen von Räumen oder die Gabe von Medikamenten, die beruhigend oder sogar sedierend auf den Menschen wirken. Unter die Definition fallen alle Maßnahmen die den Willen und/oder die Bewegungsfreiheit eines Menschen beschränken. Begründungen für solche Maßnahmen sind oftmals, dass die eigene Sicherheit in Gefahr scheint und diese Maßnahmen zum Eigenschutz eingesetzt werden.

Als weiterer Grund für FEM wird die Vermeidung eines Sturzes angegeben. Um Folgeschäden zum Beispiel Brüche, zu vermeiden, werden Bettgitter oder anderes zur vermeintlichen Sturzprophylaxe angebracht. Studien und Erfahrungen aus dem Pflegesetting zeigen jedoch, dass es keine sinnvolle Sturzprophylaxe darstellt und sogar die Sturzgefahr noch erhöht. Zum Beispiel dadurch, dass die Pflegebedürftigen über das Bettgitter klettern oder sich ein herausforderndes verhalten entwickelt, aufgrund von Ängsten und Wut durch das „eingesperrt“ sein.

Rechtliche Grundlagen Rechtliche Grundlagen

Rechtlich gesehen dürfen nur aufgrund einer akuten Gefahrensituation nach richterlicher Anordnung FEM angewandt werden. Wird dies missachtet, gilt dies als Freiheitsberaubung und kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe einhergehen.

FEM darf eingesetzt werden, wenn ein Notstand, ein gerichtlicher Beschluss oder eine Einwilligung durch die Pflegebedürftigen selbst vorliegt. Wenn diese einmal vorliegt, muss dennoch bei jeder FEM wieder neu überprüft werden, ob diese weiterhin notwendig ist.

Im Gegensatz zu FEM werden Freiheitsbeschränkende Maßnahmen, wie Unzugänglichkeit zu bestimmten Räumen, nicht als FEM betrachtet, bedürfen trotzdem einer handfesten Begründung.

Technische Systeme wie Nachverfolgung durch GPS, Videoüberwachung, Sensormatten und Lichtschranken zählen ebenfalls zu FEM, sind jedoch rechtlich nicht eindeutig einzuordnen. Hier sollte sorgfältig geprüft werden, ob eine solche Maßnahme wirklich gerechtfertigt werden kann und ob es mögliche Alternativen gibt.

Ideen zur Vermeidung und Reduktion von FEM Ideen zur Vermeidung und Reduktion von FEM

Die Studienlage zur Reduktion und Eindämmung von FEM ist noch forschungsbedürftig. Empfohlen wird vor allem die Aufklärung und Informationsweitergabe über FEM. Weiterhin können folgende Maßnahmen zur Prävention eingesetzt werden:

  • Basale Stimulation (eigene Körperwahrnehmung fördern, Ängste und Stress reduzieren)

  • Validation (Gesprächstechnik zur erfolgreichen Kommunikation mit Demenzerkrankten)

  • Umgebungsanpassung an die Wünsche und Vorlieben (Bilder, beruhigende Wandfarben, Fotos, Schilder für WC etc.). Orientierungshilfen im Raum anbieten

  • Sturzmöglichkeiten entfernen (Link zur Sturzprävention einfügen)

  • Strukturen im Alltag schaffen (wiederkehrende Essenszeiten, Beschäftigungsangebote)

  • Musikalische Angebote (CD, Instrumente, Singen)

  • Tanz- und Gymnastikangebote

  • Kreative Angebote (Malen, basteln)

  • Kontakte mit Tieren

  • Robotik (Robbe Paro-Roboter speziell für Demenz-Setting, Klangkissen)

  • Überprüfen einer vorhandenen Medikation (Nebenwirkungen, Wechselwirkungen)

  • Unterstützung holen von ambulanten Pflegediensten, Tagespflege (Link ambulante Pflege)

  • Entlastung durch Kurzzeitpflege (Link Entlastung von Angehörigen)

  • Teilnahme Angehörigenschulung zur Schulung von Umgang mit Demenz und Herausfordernden Verhalten (VHS, soziale Träger in der Umgebung, Krankenkassen)

Wichtiges zu FEM Wichtiges zu FEM

FEM und der Umgang mit herausforderndem Verhalten ist zum Teil noch ein Tabuthema. Keiner spricht gerne darüber, dass es Situationen gibt, die evtl. dazu zwingen FEM einzusetzen. Daher ist es besonders wichtig, einen offenen Umgang damit zu finden, Sensibilität für die Betroffenen und deren Situation zu entwickeln. Es ist keine Schande, sich Unterstützung von außen zu holen. Das Wichtigste ist, die Freiheit und Selbstbestimmung jedes einzelnen Menschen zu wahren und alles Mögliche dafür zu tun, diese nicht einzuschränken. Daher soll FEM nur in unvermeidlichen, rechtlich beschlossenen Situationen eingesetzt werden und der Fokus eher auf die Vermeidung und somit Prävention von Gefahrensituationen liegen.

Pflegeexpertin Evelyn Larisch

Evelyn Larisch

💼 BERUF

Pflegeexpertin Schwerpunkt Palliative Care

  • Beratung Pflegefragen und -probleme

  • Pflegewissenschaftliches Arbeiten und Transfer in die Praxis

  • Fortbildungen

  • Gesundheitliche Versorgungsplanung

  • Projektarbeiten Convivo Unternehmensgruppe, Bremen

Palliativpflegefachkraft MediAcion, Achim
Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin Bremer Krankenpflegeschule.

🎓 STUDIUM

Abschluss Master of Arts Public Health/Pflegewissenschaft
Schwerpunkt Pflegewissenschaft.

  • Medizinisches Denken in der Versorgung

  • Qualitätsentwicklung und Qualitätsmanagement

  • Gesundheitsökonomie

  • Pflegeforschung

Universität Bremen
Titel der Masterarbeit: Evidence-based Nursing im Krankenhaus Mitarbeiter- und Expertenbefragungen für eine erfolgreiche Implementierung von Pflegeforschung in die Praxis.

Abschluss Bachelor of Arts Pflegewissenschaft

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Was ist aktivierende Pflege?

Die aktivierende Pflege ein Pflegekonzept, das darauf ausgerichtet ist, den Pflegebedürftige möglichst viele Tätigkeiten selbst ausführen zu lassen, während ihm die Pflegeperson lediglich helfend zur Seite steht, um seine Selbstständigkeit möglichst lange zu erhalten.

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Tipps Pflegende Angehörige: Basale Stimulation einsetzen

Kann ein pflegebedürftiger Angehöriger Ihre Worte nicht mehr begreifen, weil er dement oder schwerstbehindert ist, können Sie ihm mit Hilfe der Basalen Stimulation Ihre Mitteilingen mittels Berührungen und Gesten verdeutlichen oder einfach nur Geborgenheit vermitteln.

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Wenn Pflegende zu Pflegefällen werden – Burnout durch Pflege

Pflegende Angehörige sind einer starken Belastung ausgesetzt und sollten erste Anzeichen einer Überlastung ernst nehmen, um nicht Gefahr zu laufen, ein völliges Burnout zu erleiden.

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Essen und Trinken in der Pflege

Auch bei älteren und pflegebedürftigen Menschen ist eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr sowie eine ausgewogene, auf die Bedürfnisse des Pflegebedürftigen abgestimmte Ernährung, die Basis für eine stabile Gesundheit.

Tipps für pflegende Angehörige: Thema Gewalt

Etwa 40 % der pflegenden Angehörigen in Deutschland haben in den letzten sechs Monaten Gewalt angewendet, darunter psychische, körperliche Gewalt und Vernachlässigung.

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6 Tipps für die häusliche Pflege durch Angehörige

Die Pflege eines Angehörigen ist sowohl physisch als auch psychisch belastend, weshalb die Entscheidung über Unterbringung und Pflege in jedem Fall gemeinsam und erst nach gründlicher Überlegung getroffen werden sollte.