Tipps für pflegende Angehörige: Thema Gewalt

Pflegebedürftige haben Anspruch auf eine qualitativ hochwertige und persönliche Betreuung wenn es um die Notwendigkeit geht, medizinisch, psychologisch, physisch und seelsorgerisch versorgt zu werden.

Manchmal aber, so zeigen aktuelle Untersuchungen, kommt es zu einer Vernachlässigung oder sogar zu Formen der Gewalt gegenüber von Pflegebedürftigen und pflegendem Personal oder Angehörigen.

Wohnen im Alter erklärt in diesem Beitrag wie sich Gewalt in der Pflege zeigt und welche Maßnahmen ergriffen werden können.

Was bedeutet Gewalt in der Pflege? Was bedeutet Gewalt in der Pflege?

Was als Gewalt empfunden wird, hängt von gesellschaftlichen Normen, kulturellen und sozialen Einflüssen und persönlichen Werten ab. Es hat viele Gesichter und ist manchmal nicht direkt erkennbar. Gewalt kann auch unbeabsichtigt sein – häufig fängt sie nicht erst beim Schlagen an. Vor allem aber sind bei Gewalt in der Pflege sowohl Pflegebedürftige als auch Pflegende betroffen.

  • Gewalt gegen Pflegebedürftige: tritt auf, wenn Senioren Schaden oder Leid zufügt wird – egal ob körperlich, seelisch oder finanziell. Bereits der Eingriff in die Selbstbestimmung des Pflegebedürftigen ist Gewalt.

  • Gewalt zwischen Pflegebedürftigen: In stationären Pflegeeinrichtungen kann Gewalt in Form von aggressivem Verhalten, Ausgrenzung oder sexueller Belästigung zwischen Pflegebedürftigen stattfinden.

  • Gewalt gegen Pflegende: Hier sind Pflegende können durch körperliche Übergriffe und Gesten oder Worte, die als respektlos empfunden werden, von Gewalt betroffen. Besonders bei der Pflege von Menschen mit geistigen Einschränkungen oder Verhaltensstörungen kann das vorkommen.

Formen der Gewalt Formen der Gewalt

formen der gewalt

Leider, so haben Untersuchungen ergeben, stellt Gewalt in der Pflege ein Problem dar, das sich vielerorts bemerkbar gemacht hat. Die Formen von Gewalt können vielseitig sein und sich unterschiedlich zeigen.

Die körperliche Gewalt ist dabei die wohl augenscheinlichste Variante. Sie zeigt sich durch grobes Anfassen, Schlagen, Kratzen oder Schütteln. Allerdings gehören bereits das unbequeme Hinsetzen oder Hinlegen, sowie das unerlaubte oder häufige Anwenden freiheitsentziehenden Maßnahmen und Senioren zum Essen zu zwingen zur körperlichen Gewalt.

Psychische Gewalt findet sich ebenfalls häufig wieder. Hier reagiert das Pflegepersonal über einen längeren Zeitraum nicht auf das Rufen des Seniors. Neben dem Missachten und Ignorieren kann es auch vorkommen, dass der Pflegebedürftige, aber auch der Pfleger angeschrien oder mit abfälligen Bemerkungen gedemütigt und beileidigt wird.

Eine weitere Form ist die Vernachlässigung von Pflegebedürftigen. Hier wird nicht ausreichend auf die persönlichen Bedürfnisse eingegangen, oder gänzlich übergangen. Ein Senior, der viel zu lange auf einen Pfleger warten muss, damit dieser ihm bei der Nahrungsaufnahme hilft, erfährt bereits eine Form der Gewalt. Schlechte Pflege und medizinische Versorgung, sowie die unzureichende Hilfe im Alltag stellen ebenfalls eine Vernachlässigung dar.

In selteneren Fällen ist es bereits vorgekommen, dass Wertgegenstände oder finanzielle Mittel von Senioren entwendet wurden. Hier wird der Betroffene finanziell ausgenutzt. Auch kann es sein, dass ein Pfleger oder Angehöriger unbefugt über persönliches Vermögen verfügt, oder den Pflegebedürftigen zu Geldgeschenken überredet und nötigt.

Eine weitere gravierende Form der Gewalt in der Pflege sind intime Übergriffe. Hier wird das Schamgefühle oder die Intimsphäre verletzt indem sexuelle Andeutungen und Avancen gemacht werden. Verheerender ist es, wenn Intimkontakte verlangt oder erzwungen werden. Diese Form trifft häufig auf beide Parteien in der Pflege zu.

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Freiheitsentziehende Maßnahmen

Unter freiheitsentziehenden Maßnahmen fallen das Anschnallen, Festbinden oder Einschließen von pflegebedürftigen Personen. Auch die Anwendung von Bettgittern oder Stecktischen, sowie die Vergabe ungewünschter oder nicht verordneter Medikamente, um Patienten ruhig zu stellen, gehören hierzu.

Anzeichen der Gewalt Anzeichen der Gewalt

Die Anzeichen für Gewalt sind nicht immer leicht zu deuten. Manch blauer Fleck kann zum Beispiel die Folge einer Erkrankung oder eines Sturzes sein – der fehlende Geldbeutel ist vielleicht nur verlegt worden. Grundlos sollte niemand beschuldigt werden, jedoch sollten die Ursachen immer geklärt werden. Auf diese Anzeichen von Gewalt sollte geachtet werden*:

Äußere Anzeichen für Gewalt

Körperliche Gewalt

  • blaue Flecken, Kratzer, Hautabschürfungen oder Platzwunden

  • Griffspuren an Armen und Handrücken

  • Verletzungen im Intimbereich

Freiheitsentziehende Maßnahmen

  • Abdrücke auf der Haut von Seilen, Schnallen oder Gürteln

  • Fesselspuren an Hand- und Fußgelenken

  • Benommenheit durch Medikamente

Vernachlässigung

  • Flüssigkeitsmangel, z. B. trockene Schleimhäute, konzentrierter Urin

  • Mangelernährung, z. B. Untergewicht, zu weit gewordene Kleidung

  • mangelnde Hygiene oder medizinische Versorgung

Finanzielle Gewalt

  • Verschwinden von Geld oder Wertgegenständen, z. B. Schmuck, Geräte

  • Verlust der Kontrolle über das eigene Geld, plötzliche Änderung des Bankkontos

  • Verwahrlosung, z. B. kaputte Kleidung

Anzeichen im Verhalten

Beim Pflegebedürftigen

  • verändertes, ungewohntes Verhalten, z. B. scheu, verängstigt, schreckhaft, sprachlos, teilnahmslos, verwirrt, übererregt, aggressiv oder übertrieben respektvoll

  • Schlaflosigkeit

  • selbstverletzendes Verhalten

Beim Pflegenden

  • auffallend angespanntes, überfürsorgliches oder überkontrollierendes Verhalten gegenüber dem Pflegebedürftigen

  • starke Abwehr oder widersprüchliche Erklärungen auf Fragen nach Verletzungen

  • medizinische Behandlung in unterschiedlichen Einrichtungen oder unverhältnismäßig langes Abwarten zwischen Verletzung und Behandlung

*Quelle: Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege

Gewalt in Pflegeeinrichtungen: Prävention und Maßnahmen Gewalt in Pflegeeinrichtungen: Prävention und Maßnahmen

Die Rechte und die persönliche Würde von Pflegebedürftigen, sei es in Pflegeeinrichtungen wie Seniorenheimen oder Kliniken, muss immer gewahrt sein. Tatsächlich verhält es sich so, dass nicht jede Pflegeeinrichtung von sich behaupten kann, dass alles getan wurde, um Fälle von Gewalt zu verhindern. Ein Grund mag in der Überforderung des pflegenden Personals liegen. Ebenso kann es sein, dass die Pflegekraft aufgrund persönlicher Umstände überfordert ist.

Aus welchem Grund auch immer, der Pflegebedürftige, muss und darf ein Fehlverhalten der Pflegekraft oder einer eines behandelnden Arztes/Ärztin nicht hinnehmen. Um es erst gar nicht so weit kommen zu lassen, können vorbeugende Maßnahmen umgesetzt werden.

  • Keine Scham oder sogar Angst haben. Aufgrund von fehlerhaften Verhalten des Pflegepersonals sollte nicht geschwiegen werden.

  • Ein Netzwerk schaffen: Personen wie den Patientenanwalt, die seelsorgerische Bereitschaft, die Krankenkasse, die Verwandtschaft oder Freunde über mögliche Gewaltausübung informieren.

  • Auf dem persönlichen Handy alle relevanten Nummern dieses Netzwerkes speichern. Auch das "ZQP", dem Zentrum für Qualität in der Pflege, hat auf seiner Webseite einen Notruf installiert. Bei einem eventuellen Vorfall kann dieser gemeldet werden. Binnen kürzester Zeit kümmert sich dann ein Mitarbeiiter darum.

Gewalt an Pflegebedürftigen im privaten Rahmen Gewalt an Pflegebedürftigen im privaten Rahmen

Viele ältere Menschen ziehen es vor, in ihrer gewohnten Umgebung gepflegt zu werden. Um die nötige Pflege zu erhalten, wird oftmals ein mobiler Pflegedienst oder die Unterstützung von Angehörigen in Anspruch genommen. Leider kommt es auch in diesem Rahmen vor, dass die Bedürfnisse des zu Pflegenden nicht wahrgenommen, verletzt oder einfach ignoriert werden.

Um dies erst gar nicht soweit kommen zu lassen, stehen dem Pflegebedürftigen auch hier einige Möglichkeiten zur Auswahl der Gewalt entgegenzuwirken. Bevor die Entscheidung für einen mobilen Pflegedienst fällt, sollte sicher gegangen werden, dass dieser über ausreichend geschultes Personal verfügt.

Es kann vorkommen, dass Pflegebedürftige, die auf den mobilen Service angewiesen sind, in ihren Bedürfnissen zu kurz kommen. In schlimmeren Fällen ist es auch hierbei zu Gewalt unterschiedlichen Ausmasses gekommen. Dies trifft vor allem auf jene Menschen zu, die vermindert mobil, eventuell bettlägrig oder an Demenz erkrankt sind.

  • Bevor ein mobiler Pflegedienst engagiert wird, sollte eine Vertrauensperson eingeladen werden, um am ersten Gespräch teilzunehmen. Wenn der erste Eindruck nicht stimmt, sollte vom Dienst dieses Pflegedienstes Abstand genommen werden.

  • Ebenso kann ein Angehöriger, ein Freund oder auch ein Nachbar darum gebeten werden regelmäßig nach der Durchführung der Pflege vorbeizuschauen. Mit diesem können die Erfahrungen mit dem Pflegedienst besprochen werden und gegebenenfalls Maßnahmen ergriffen werden.

  • Sollte es tatsächlich sein, dass Gewalt, welcher Art auch immer, stattgefunden hat, muss unbedingt Kontakt mit der Leitstelle des jeweiligen Pflegedienstes aufgenommen werden. Dieser wird umgehend dafür sorgen, dass die nötigen Schritte unternommen werden.

  • Gesetzt den Fall, dass physische und psychische Gewalt stattgefunden hat oder Geld gestohlen wurde, sollte auf keinen Fall gezögert werden die Polizei zu verständigen.

  • Da auch Angehörige Gewalt ausüben können, egal ob willentlich oder aus Versehen, sollte nicht davor zurückgeschreckt werden bei Fehlverhalten eine Hilfestelle zu kontaktieren.

Gewaltprävention bei Pflegenden Angehörigen Gewaltprävention bei Pflegenden Angehörigen

Vorbeugende Maßnahmen und Entlastungen

  • Pflegeschulungen

  • Pflegedienst für Entlastungspflege

  • Selbsthilfegruppen

  • Kurzzeit oder Verhinderungspflege

  • Jobfreistellung

  • Hilfemittel um die Pflege zu erleichtern

Pflegeexperte Florian Seybecke

Pflegeexperte Florian Seybecke

Fachliche Expertise

  • Schulungsbeauftragter und Dozent

  • Fachkoordinator für neurologische Langzeitrehabilitation

  • Pflegedienstleitung und Schulungsbeauftragter

  • Fachkraft in der außerklinischen Intensivpflege

  • Ausbildung zum examinierten Altenpfleger

Xing-Profil

Pflegeexperte bei Wohnen im Alter

aktivierende Pflege

Was ist aktivierende Pflege?

Die aktivierende Pflege ein Pflegekonzept, das darauf ausgerichtet ist, den Pflegebedürftige möglichst viele Tätigkeiten selbst ausführen zu lassen, während ihm die Pflegeperson lediglich helfend zur Seite steht, um seine Selbstständigkeit möglichst lange zu erhalten.

basale stimulation

Tipps Pflegende Angehörige: Basale Stimulation einsetzen

Kann ein pflegebedürftiger Angehöriger Ihre Worte nicht mehr begreifen, weil er dement oder schwerstbehindert ist, können Sie ihm mit Hilfe der Basalen Stimulation Ihre Mitteilingen mittels Berührungen und Gesten verdeutlichen oder einfach nur Geborgenheit vermitteln.

burnout durch pflege

Wenn Pflegende zu Pflegefällen werden – Burnout durch Pflege

Pflegende Angehörige sind einer starken Belastung ausgesetzt und sollten erste Anzeichen einer Überlastung ernst nehmen, um nicht Gefahr zu laufen, ein völliges Burnout zu erleiden.

essen und trinken in der pflege

Essen und Trinken in der Pflege

Auch bei älteren und pflegebedürftigen Menschen ist eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr sowie eine ausgewogene, auf die Bedürfnisse des Pflegebedürftigen abgestimmte Ernährung, die Basis für eine stabile Gesundheit.

Freiheitsentziehende Maßnahmen in der Pflege (FEM)

Jegliche Form von freiheitsentziehenden Maßnahmen, egal ob es sich dabei um Fixierungen aller Art, Wegnahme von Gehhilfen oder die Ruhigstellung durch Medikamente handelt, widersprechen dem persönlichen Recht auf Freiheit und können eine Straftat darstellen.

Ambulante Hilfsdienste für die häusliche Pflege

6 Tipps für die häusliche Pflege durch Angehörige

Die Pflege eines Angehörigen ist sowohl physisch als auch psychisch belastend, weshalb die Entscheidung über Unterbringung und Pflege in jedem Fall gemeinsam und erst nach gründlicher Überlegung getroffen werden sollte.