Sucht im Alter: Woran erkenne ich eine Suchtgefährdung
Eine Sucht ist immer ein schweres gesundheitliches Problem. Oftmals werden mit Suchtproblemen viele vergleichsweise moderne und insbesondere illegale Rauschmittel in Verbindung gebracht. In diesem Zusammenhang scheinen Jugendliche und junge Erwachsene eine besonders stark betroffene Bevölkerungsgruppe zu sein.
Doch in Wirklichkeit sind viele Suchtmittel vollkommen legal - und von einer Sucht betroffen sind dann oftmals vor allem ältere Menschen. Nachfolgend erklärt Wohnen im Alter worauf es beim Thema Sucht im Alter ankommt.
Suchtmittel - ein falsch verstandener Begriff Suchtmittel - ein falsch verstandener Begriff
Wer an Suchtmittel denkt, dem fallen vor allem klassische verbotene Drogen wie Kokain, Marihuana, diverse Opioide, Pilze oder moderne, künstlich erzeugte Stoffe ein. Diese sind zumeist illegal, oder - unter Einhaltung strengster Auflagen - verschreibungspflichtig. Oftmals gelten solche Drogen als massives Problem, das insbesondere bei jungen Menschen auftritt.
In Wirklichkeit ist diese Sichtweise sehr oberflächlich und verkennt das tatsächliche Problem völlig. Wer sich bewusst macht, welche Stoffe zu einer Abhängigkeit führen, erkennt schnell, wie einfach Suchtmittel für nahezu alle Bevölkerungsschichten zugänglich sind.
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Nicht nur harte Drogen, wie Heroin oder Kokain, können zu einem Suchtproblem werden. Auch Kaffee, Tabak, Alkohol und Medikamente können schnell abhängig machen
Sucht kann bereits mit einer einfachen Tasse Kaffee am Morgen beginnen. Der Körper gewöhnt sich an das Koffein und ohne die tägliche Dosis wird kaum noch ein normaler Zustand erreicht. Auch ein Stück Mohnkuchen ist problematischer, als es erscheinen mag. Denn der enthaltene Mohn ist kein anderer als der Schlafmohn, aus dem auch Morphin, Methadon, Oxycodon, Heroin und viele weitere mehr oder minder problematische Betäubungsmittel hergestellt werden können.
Weiterhin zählen zu den praktisch alltäglichen und vollkommen legalen Suchtmitteln auch Tabak und Alkohol. Bereits aus dieser kurzen Übersicht lässt sich ableiten, dass Suchtmittel allgegenwärtig sind und nahezu jeder schon einmal damit in Berührung gekommen ist.
Wann wird ein potentielles Suchtmittel zu einem Problem? Wann wird ein potentielles Suchtmittel zu einem Problem?
Der Kontakt zu Suchtmitteln ist kaum vermeidbar - wobei die Berührung mit harten Drogen offensichtlich vom Gesetzgeber verschärft betrachtet wird. In vielen Fällen stellt es kein größeres Problem dar, ein potentielles Suchtmittel zu konsumieren. Ein Glas Sekt zu Silvester oder eine Tasse Kaffe und ein Stück Mohnkuchen sind für die meisten Menschen harmlos und werden kaum zu einem Suchtproblem führen.
In vielen Fällen ist nicht das Suchtmittel, sondern der Mangel an Verantwortungsbewusstsein im Umgang damit wesentlich kritischer. Letztlich ist eine Sucht nicht die Ursache, sondern die Wirkung von Problemen. Wie empfänglich eine Person für eine Sucht ist, hängt nur bedingt davon ab, um welchen Stoff es sich handelt, sondern wesentlich mehr davon, wie schwierig die sonstigen Rahmenbedingungen sind, welche zu einer Sucht führen könnten. Besonders bei Senioren kommt es daher häufig zu Problemen.
Suchtgefahr bei Senioren Suchtgefahr bei Senioren

Eine Sucht entsteht immer dann, wenn ein potentielles Suchtmittel dazu missbraucht wird, um zu versuchen ein bereits im Vorfeld bestehendes Problem zu lösen. Dabei sollte offensichtlich sein, dass jeder Mensch mehr oder weniger viele und schwerwiegende Probleme hat. Wenn diese nicht gelöst werden können, können sich diese soweit ansammeln, dass es für den Betroffenen unmöglich wird einen Ausweg zu finden.
Doch ist dies ein schleichender Prozess, der weder von der betroffenen Person, noch von Mitmenschen ohne weiteres erkannt werden kann. Die Betroffenen fühlen sich nach dem Konsum der betreffenden Stoffe kurzfristig besser. Dieses Glücksgefühl, diese Erleichterung, oder wie auch immer das jeweilige positive Gefühl beschrieben werden könnte, hält jedoch nur so lange, wie das konsumierte Mittel wirkt. Danach werden die negativen Empfindungen schlimmer und fördern den erneuten Konsum - bis dieser zur Sucht wird.
Die Schwierigkeit dabei ist gleichzeitig, dass ein einzelnes Problem noch keine Sucht verursacht. Doch mit zunehmendem Alter sammeln sich immer mehr Probleme an, welche in den vergangenen Lebensjahren und -jahrzehnten ungelöst geblieben sind - bis eine bestimmte, sehr individuelle Grenze überschritten wird. Aus diesem Grund sind weniger junge Menschen, welche in ihrem jugendlichen Leichtsinn "herumprobieren" wollen, als ältere Menschen, welche lange aufgeschobenen Problemen gegenüber stehen, besonders stark suchtgefährdet.
Alkoholsucht
Alkoholkonsum gehört für viele Menschen zum genussvollen Leben dazu und ist oft eine über viele Jahre gepflegte Gewohnheit. Mit zunehmendem Alter steigt dabei allerdings das Risiko abhängig zu werden. Die Gründe dafür sind sowohl körperlicher als auch psychischer Natur.
Aus körperlicher Sicht führt der Alterungsprozess dazu, dass alkoholische Getränke schlechter vertragen werden und der Suchtstoff langsamer abgebaut wird. In Kombination mit Medikamenten, die Senioren häufig einnehmen müssen, ist die Gefahr besonders groß in eine Abhängigkeit zu geraten.
Auf der anderen Seite spielen persönliche Gründe oft eine Rolle, wenn Menschen im Alter alkoholsüchtig werden: Der Eintritt ins Rentenalter, der Verlust des Partners oder das Älterwerden selbst sind typische Ursachen für einen missbräuchlichen Alkoholkonsum.
Medikamentensucht
Die Abhängigkeit von Tabletten gehört zu den häufigsten und zugleich am wenigsten wahrgenommenen Suchterkrankungen bei über 60-Jährigen. Viele Ältere müssen auf Grund von chronischen Leiden oder altersbedingten Erkrankungen Medikamente nehmen – der Weg in die Abhängigkeit ist dann oft nicht weit. Insbesondere Schlaf- und Schmerzmittel können eine Suchtproblematik hervorrufen, wenn sie über einen längeren Zeitraum regelmäßig eingenommen werden.
Auch weniger starke Medikamente wie Abführmittel oder Nasenspray können auf Dauer abhängig machen. Da Tabletten fast immer zum Alltag der älteren Generation gehören, ist hier besonders schwierig zwischen notwendiger Medikation und einer Suchterkrankung zu unterscheiden.
Die Suchtgefahr bei Schmerzmittel vor allem BTM (Betäubungsmittel) besteht nicht bei einer therapeutischen regelmäßigen Einnahme, sondern nur bei Einnahmemissbrauch und starker Überdosierung.
Ursachen einer Sucht bei Senioren Ursachen einer Sucht bei Senioren
Die Probleme, welche zu einer Sucht führen können, sind außerordentlich vielfältig. Dabei sind die tatsächlichen Auslöser sehr individuell. Dies liegt daran, dass Dinge, welche einer Person nicht viel ausmachen, einer anderen deutlich stärker zusetzen können. Auch die reine Anzahl an angestauten Problemen und Sorgen ist von Person zu Person unterschiedlich. Wann die seelische Last jemandem zu viel wird, lässt sich im Vorfeld unmöglich sagen.
Bei älteren Menschen kommen viele Dinge infrage, welche eine Sucht auslösen können. Durch den Eintritt in das Rentenalter fühlen sich viele Menschen nicht mehr gebraucht, was zu Depressionen führen kann, welche dann in Alkohol ertränkt werden. Auch der Verlust von ähnlich alten Freunden und Verwandten kann einen großen Einschnitt bedeuten und führt einem älteren Menschen seine eigene Sterblichkeit sehr stark vor Augen.
Auch alltägliche Probleme, wie die Altersarmut oder der Umzug aus der bekannten Umgebung, beispielsweise in ein Altersheim, können zu einer Hilflosigkeit führen, welche in einer Sucht endet.
Eines der größten Probleme ist jedoch die Medikamentenabhängigkeit. Senioren haben mit zunehmendem Alter eine ebenso stark zunehmende Anzahl an gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Dabei kann es oft schwerfallen einzusehen, dass manche gesundheitliche Einschränkungen ein fester Bestandteil des Lebens sind. Der Versuch diese mit immer höheren Mengen von Medikamenten zu behandeln, kann sehr leicht außer Kontrolle geraten. So ist insbesondere eine Abhängigkeit von Schmerzmitteln im Alter recht wahrscheinlich.
Dabei kann nicht nur eine unkontrollierte Selbstmedikation zu einem Suchtproblem führen, sondern auch die verordnete Medikation durch schlecht ausgebildete Ärzte. Es kommt ungewöhnlich häufig vor, dass die Wechselwirkungen zwischen einzelnen Medikamenten nicht hinreichend beachtet werden und mehr Probleme verursachen, als sie letztlich lösen.
Sucht bei Senioren erkennen und richtig ansprechen Sucht bei Senioren erkennen und richtig ansprechen
Die Sucht ist letztlich nicht das einzige oder zumindest nicht das gesamte Problem. Manche Suchtmittel haben eine negative Wirkung, welche sich insbesondere in den Anfangsstadien kaum von Beeinträchtigungen unterscheiden lassen, welche im Alter ungewöhnlich sind. Auch die Grenze zwischen einer sehr intensiven Medikation und einem Missbrauch von Medikamenten ist fließend und insbesondere Mitmenschen ohne das entsprechende Fachwissen können unmöglich zwischen einem tatsächlich hohen Bedarf eines Medikaments und einer Sucht im Anfangsstadium unterscheiden.
Ein ganz besonders schwieriger Fall ist die Demenz. Hierbei kann nur besonders schwer festgestellt werden, ob das Vergessen von Dingen auf die Demenz, Nebenwirkungen von Medikamenten oder sogenannte "Filmrisse" (Gedankenlücken) durch Alkoholmissbrauch handelt. Hierbei ist es von entscheidender Bedeutung, dass zunächst die genaue Ursache der Vergesslichkeit ermittelt wird. Fehlendes Einfühlungsvermögen kann ansonsten zu einem Vertrauensbruch führen.
Info
Typische Anzeichen für eine Suchterkrankung sind häufige Stimmungswechsel, starke Müdigkeit und zwanghaftes Verhalten.
Falls noch keine Sucht vorliegt, diese jedoch einem älteren Menschen unterstellt wird, kann es passieren, dass dieser sich nicht ernst genommen fühlt. Sollte im weiteren Verlauf eine Sucht tatsächlich eintreten, dann ist es bedeutend schwieriger auf einen gekränkten und sich hilflos fühlenden, älteren Menschen zuzugehen oder dass dieser jemanden an sich heran lässt um ihm angemessen helfen zu können.
Sowohl eine Sucht als auch die Demenz ansich sind Dinge, die ein älterer Mensch nicht wahr haben will. Entsprechend groß sind auch die Schwierigkeiten mit der Problematik richtig umzugehen. Das Verdrängen und das spätere Verbiegen der Wahrheit sind typisch, sowohl für Demenz, als auch eine Sucht, denn beides ist einem Menschen gleichermaßen unangenehm.
Letztlich kann sogar die Demenz, insbesondere wenn sie nicht früh genug erkannt wird, zu einer Sucht führen. Wenn Senioren regelmäßig vergessen, dass sie ihre Medikamente bereits eingenommen haben, kann es leicht passieren, dass sie die verschriebene Dosis mehrfach einnehmen und dies schließlich zu einer Sucht führt. Sobald eine Sucht von Angehörigen erkannt oder zumindest vermutet wird, ist es von entscheidender Bedeutung das Thema behutsam anzusprechen und möglichst schnell kompetente Hilfe zu suchen um etwas gegen die Sucht und insbesondere die Auslöser zu unternehmen.
Hilfe bei Sucht suchen Hilfe bei Sucht suchen
Wie bereits oben erwähnt, kennt Sucht keine Altersgrenzen. Die Zahl der älteren Personen, die Missbrauch oder eine Abhängigkeit von Alkohol, Tabak oder psychoaktiven Medikamenten aufweisen und davon gesundheitliche Schäden tragen, geht in die Millionen. Daher ist es unerlässlich bei den ersten Anzeichen, oder bei Unsicherheit nach Hilfe zu fragen. Zahlreiche Ärzte, Institute, Vereine, Kranken- und Pflegekasse, auch das Bundesministerium für Gesundheit klären über das Thema auf und können eine Behandlung empfehlen.
Im seltensten Fall erkennt der Süchtige selbst, dass er süchtig ist. Daher ist es als Angehöriger oder als Pflegender notwendig, das Verhalten des Seniors zu beobachten. Wie oft wird zum scheinbar harmlosen Bier gegriffen? Wieviele Flaschen liegen im Mülleimer? Wie oft werden Medikamente eingenommen? Wie schnell ist die verordnete Medi-Packung leer?
Selbstverständlich soll dies nicht als regelrechte Spionage enden. Auch den Senior ständig mit Fragen zu durchlöchern, ist nicht hilfreich. Einfühlungsvermögen und Beobachtung sollten moderat durchgeführt werden. Sich jedeoch zu informieren und bei Anzeichen Hilfe zu suchen, ist ein absolutes Muss, damit dem Suchtproblem vorgebeugt und es im akuten Fall behandelt werden kann.

Pflegeexperte Florian Seybecke
Fachliche Expertise
Schulungsbeauftragter und Dozent
Fachkoordinator für neurologische Langzeitrehabilitation
Pflegedienstleitung und Schulungsbeauftragter
Fachkraft in der außerklinischen Intensivpflege
Ausbildung zum examinierten Altenpfleger